Interview mit unseren »Goldjungs«
Die Pressekonferenz mit dem Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert am 8. Juni war gerade vorbei, da traute am 9. und 10. Juni das Grabungsteam vom Museum und Park Kalkriese und der Universität Osnabrück unter der wissenschaftlichen Leitung von Salvatore Ortisi und Marc Rappe bei der Öffnung eines neuen Schnitts seinen Augen nicht. Zunächst kamen sechs und am nächsten Tag zwei weitere Goldmünzen zum Vorschein. Mit diesen acht neuen Gaius-Lucius-Aurei wird der bisherige Bestand des Museums von sieben auf fünfzehn mehr als verdoppelt. Aus früheren Zeiten bekannte Aurei aus dem Fundgebiet Kalkriese sind leider heute größtenteils verschollen.
VARUSSCHLACHT im Osnabrücker Land – Museum und Park Kalkriese: Herr Rappe und Herr Fehrs, Sie haben am 9. und 10. Juni bedeutende Funde gemacht, erzählen Sie doch mal.
Klaus Fehrs: Naja... es fing ganz harmlos an, wir haben eine Fläche freigebaggert, bzw. Marc hat sie freigebaggert... Ich hatte das Suchgerät noch gar nicht angesetzt, da sehe ich bereits auf der Fläche etwas funkeln. Im ersten Moment habe ich gedacht, dass das vielleicht ein Alupapier von einem Kaubonbon ist. Aber es war ein Aureus. Da habe ich Marc gleich herbeigewunken, aber der meinte: „Nein, den hast du jetzt dahingelegt“.
Marc Rappe: Ja, genauso sah das nämlich aus. In dem Moment, in dem ich abgezogen habe, sprang dieser Aureus genau aus der Torflinse, die ich gerade geteilt hatte, und in dem Moment dachte ich, dass Klaus mir aus Spaß da eine Münze hingeworfen hat, um mich zu motivieren. Aber nach der zweiten, dritten und vierten, nach der fünften und nach der sechsten Münze vor allem hab ich's dann geglaubt. Am nächsten Tag kamen dann noch mal zwei per Detektor. Das heißt, wir haben jetzt acht augusteische Aurei innerhalb eines Quadratmeters gefunden.
MuP Kalkriese: Herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Fund. Was bedeutet dieser neuerliche Fund von acht Goldmünzen für den Standort Kalkriese?
Fehrs: Eigentlich nicht viel. Abgesehen davon, dass Gold immer etwas Besonderes ist, ist das im Prinzip auch nur ein weiterer Fund. Jetzt wäre zu überlegen, ob das was mit dem Verlust eines – wahrscheinlich – Offiziers zu tun hat oder ob die Stücke während der Schlacht auf andere Weise in den Boden gekommen sind.
Rappe: Ja, also acht auf einen Streich sind schon eine kleine Sensation, zumal sie innerhalb eines Quadratmeters zum Vorschein gekommen sind. Diesen Befund müssen wir jetzt noch abarbeiten. Acht Aurei aus augusteischer Zeit sind wirklich nicht schlecht.
MuP Kalkriese: Ändert sich damit etwas für die Interpretation des Geschehens hier am Ort?
Rappe/Fehrs: Nein, nichts.
Rappe: Die Gaius-Lucius-Münzen waren bis jetzt auch die Schlussmünzen (Münze mit dem spätesten Prägedatum), egal ob es als Denar (Silber) oder als Aureus (Gold) war. Die Enddatierung bleibt: Diese Münzen wurden von zwei vor Chr. bis vier nach Chr. in Lyon geprägt. Sehr wahrscheinlich gehörten sie einem Zenturio oder einem anderen Offizier, wenn da nicht tatsächlich jemand seinen Jahressold mitgeführt hat.
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Gaius/Lucius-Prägungen sind Münzen, die sowohl als Aurei (also als Goldmünzen) als auch als Denare (also Silbermünzen) vorliegen. Sie sind benannt nach den Enkeln Augustus‘, die im Revers, im Abschnitt, mit C-L-Caesares benannt werden. In der Umschrift werden sie als AVGVSTI F COS DESIG PRINC IVENT bezeichnet, was aufgelöst so viel wie ‚Söhne des Augustus, designierte Konsuln und Anführer der Jugend‘ bedeutet. Im Innern des Münzrevers sieht man die Caesares mit Schild und Speer, außerdem einen Lituus und ein Simpulum. Lituus und Simpulum sind Zeichen ihres priesterlichen Ranges. Im Avers ist das Konterfei des Augustus mit der Umschrift CAESAR AVGVSTVS DIVI F PATER PATRIAE zu sehen: ‚Caesar Augustus, Sohn des Vergöttlichten (Gaius Julius Caesar), Vater des Vaterlandes‘. Mit dem Tod der beiden Brüder in den Jahren 2 und 4 n. Chr. waren jegliche Hoffnungen Augustus‘ in einem seiner Enkel einen Nachfolger gefunden zu haben, zerstört, die Münzserie brach ab.
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MuP Kalkriese: Herr Fehrs, Sie arbeiten nun seit bereits 25 Jahren für die Kreisarchäologie und das Museum Kalkriese. Freut man sich da noch, wenn man eine Goldmünze findet?
Fehrs: Natürlich! Also ich freu mich auch nicht unbedingt nur über Goldmünzen; jeder Fund, den ich als römisch ansprechen und den ich in diese Zeit datieren kann, elektrisiert mich immer wieder. Um die Quadratkilometer abzulaufen, die ich mittlerweile auf dem Felde abgelaufen habe, muss man sich einfach immer wieder neu motivieren können, sonst ginge das gar nicht.